ÜBER ZEIT UND RÄUMLICHKEIT VON AUSGEFÜHRTEM CODE
Es ist der zweite Versuch der "Sechs Personen" von Luigi Pirandello
(ital. Theaterautor des frühen 20 Jh.) eine Bühne zu finden und ein Publikum.
Ohne
einen Ort, in dem die Szenen ihres Familiendramas immer wieder neu
durchlebt werden, sind die Bühnenfguren als Ideen lebendig und existieren
doch nicht. Diese Unbestimmtheit zwingt sie dazu, aus ihrem begrenzten
Familiendrama auszubrechen und sich selbst auf die Suche nach einer Stück
zu machen.
Als
Computerprogramme besetzen sie nun die Rechner einer vernetzten
Anlage und
führen sich in den maschinischen Systemkernen aus und auf.
Unsichtbar zunächst,
wird die sich in den Arbeitsspeichern entfaltende
Prozessierung akustisch
verstärkt.
Das
elektronische Stück - die Prozessierung - findet auf einer imaginären
Bühne für
Software statt. Der Prozessor - die CPU als Takt gebende Einheit -
bestimmt die
Dimension der Zeit, der flüchtige Arbeitsspeicher den Raum.
Die
Figuren werden durch ein System von vernetzten Rechnern gespielt. Jede
Figur wird durch einen Rechner dargestellt, der aus
Hardware, einem Linux-
Betriebssystem und einem Software-Programm besteht.
Sobald die textuellen
Befehlszeilen der Software ausgeführt werden, verändert
sich deren Zustand.
Das Programm wird zu
einem Prozess im Systemkern von Linux. Die Prozesse
kommunizieren über Befehle miteinander und steuern sich gegeneinander.
Anstelle von Synchronisations-Mechanismen, bestimmt die ausgediente
Hardware, die Mechanismen der Linux Signale und das Netzwerk
Ablauf der Prozessierung.
Mikrofone in den
Rechnern, neben dem Arbeitsspeicher, verstärken die
Systemgeräusche für ein
Publikum. Die Prozessierung der einzelnen Figuren
sowie die Kommunikation
zwischen ihnen wird hörbar.
Die innere Struktur der Figuren
ist widersprüchlich. Sie sind gebunden an die
enge Wirklichkeit der wenigen Szenen, in
denen sich ihr Familiendrama
entfaltet. Gleichzeitig suchen sie in ihrem
zweiten Drama "Sechs Personen
suchen einen Autor" einen Ort, an dem
diese Szenen gezeigt werden. Sie sind
auf der Suche nach einer Form: einem
Stück, einer Bühne und einem Publikum.
Die Anstrengung der Figuren ein Stück zu finden steht im Mittelpunkt des
Computerstückes. Die Frage nach der (nun elektronischen) Darstellbarkeit der
Figuren bleibt.
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